
Dendritische Rekonstruktionen von 55 Pyramidenzellen aus 986 Neuronen (graue Kugeln) in der Region CA3 des Hippocampus in der Maus. | Credit: ESI/E. Grasso
Wie funktioniert Erinnerung, wie rufen wir Informationen aus dem Gedächtnis ab, und wie lernen wir dazu? Bei einem sind sich Forschende einig: Eine wichtige Rolle spielt dabei der Hippocampus, besonders eine kleine Subregion namens CA3. Dabei sind die zugrundeliegenden Mechanismen nach wie vor ungeklärt.
Eine verbreitete Theorie geht davon aus, dass die Zellen in der Region CA3 besonders gut miteinander vernetzt sind und dadurch in der Lage sind, Muster zu vervollständigen, also Erinnerungen abzurufen. Jüngere Daten hatten aber diese hohe Vernetzung verworfen, und damit die etablierte Theorie der intensiven Vernetzung als Voraussetzung für das Erinnern in Frage gestellt.
Wie ist das Netzwerk im CA3 nun tatsächlich organisiert? Wie stark oder schwach ausgeprägt ist die Vernetzung der einzelnen Zellen? Forschende am Ernst Strüngmann Institut (ESI) und an der Charité Berlin entschieden sich dazu, einen doppelten Ansatz zu verfolgen: Während die Forschungsgruppe an der Charité die Frage mittels physiologischer Messungen funktioneller Konnektivität untersuchte, widmeten sich die Forschenden am ESI der detaillierten Rekonstruktion eines CA3-Moduls der Maus mithilfe von 3D-Elektronenmikroskopie. Damit schufen sie die erste konnektomische Analyse des Gedächtnis-Schaltkreises im Säugetier. Ergänzt wurden beide Ansätze durch eine Computermodellierung.
Beide Untersuchungen - die elektrophysiologischen Messungen an der Charité sowie die strukturelle 3D-Elektronenmikroskopie am ESI - ergaben eine Verbindungsrate von etwa 10 Prozent, das ist das Zehnfache dessen, was zuletzt berichtet wurde. Diese Ergebnisse stärken die Theorie, dass Gedächtnisleistung und Lernen auf einer starken Vernetzung beruhen; und widerlegen gleichzeitig solche Modelle, die von einer schwachen Verbindungsrate als Grundlage ausgehen.
Die detaillierte Kartierung der Verbindungen zwischen Pyramidenzellen im CA3, wie sie am ESI nun erstmals gelang, ist äußerst schwierig und langwierig. Umso mehr freut sich Mourat Vezir, Erstautor für die Elektronenmikroskopie: „Als wir schließlich diese wunderbaren Nervenzellen und ihre Verbindungen rekonstruieren konnten, war das unglaublich faszinierend.“ Die Kartierung des CA3 ist dabei nur ein erster Schritt. „Auf lange Sicht wollen wir den gesamten Schaltkreis im Hippocampus verstehen“, so Helene Schmidt, verantwortliche Forschungsgruppenleiterin am ESI. „Wir sind sehr glücklich darüber, dass bereits die Analyse dieses kleinen Bereichs so wichtige Erkenntnisse darüber liefern konnte, wie die zugrundeliegenden Mechanismen unserer Erinnerung funktionieren.“
Originalpublikation
Sammons RP*, Vezir M*, Moreno-Velasquez L*, Cano G*, Orlando M, Sievers M, Grasso E, Metodieva VD, Kempter R, Schmidt H**, Schmitz D** (2024). Structure and function of the hippocampus CA3 module. PNAS 121 (6), e2312281120. https://doi.org/10.1073/pnas.2312281120
* equally contributing, ** shared correspondence